Mark A. Carden
von der HwK OWL zu Bielefeld öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger
                                      für das Maurer- und Betonbauerhandwerk
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Fertigstellungsbescheinigung

§ 641 a BGB

(1) Der Abnahme steht es gleich, wenn dem Unternehmer von einem Gutachter eine Bescheinigung darüber erteilt wird, dass

1. das versprochene Werk, im Falle des § 641 Abs. 1 Satz 2 auch ein Teil desselben, hergestellt ist und

2. das Werk frei von Mängeln ist, die der Besteller gegenüber dem Gutachter behauptet hat oder die für den Gutachter bei einer Besichtigung feststellbar sind,

(Fertigstellungsbescheinigung). Das gilt nicht, wenn das Verfahren nach den Absätzen 2 bis 4 nicht eingehalten worden ist oder wenn die Voraussetzungen des § 640 Abs. 1 Sätze 1 und 2 nicht gegeben waren; im Streitfall hat dies der Besteller zu beweisen. § 640 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Es wird vermutet, dass ein Aufmaß oder eine Stundenlohnabrechnung, die der Unternehmer seiner Rechnung zugrundegelegt, zutreffen, wenn der Gutachter dies in der Fertigstellungsbescheinigung bestätigt.

(2) Gutachter kann sein

1. ein Sachverständiger, auf den sich Unternehmer und Besteller verständigt haben, oder

2. ein auf Antrag des Unternehmers durch eine Industrie- und Handelskammer, eine Handwerkskammer, eine Architektenkammer oder eine Ingenieurkammer bestimmter öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger.

Der Gutachter wird vom Unternehmer beauftragt. Er ist diesem und dem Besteller des zu begutachtenden Werks gegenüber verpflichtet, die Bescheinigung unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen.

(3) Der Gutachter muss mindestens einen Besichtigungstermin abhalten; eine Einladung hierzu unter Angabe des Anlasses muss dem Besteller mindestens zwei Wochen vorher zugehen. Ob das Werk frei von Mängeln ist, beurteilt der Gutachter nach einem schriftlichen Vertrag, den ihm der Unternehmer vorzulegen hat. Änderungen dieses Vertrages sind dabei nur zu berücksichtigen, wenn sie schriftlich vereinbart sind oder von den Vertragsteilen übereinstimmend gegenüber dem Gutachter vorgebracht werden. Wenn der Vertrag entsprechende Angaben nicht enthält, sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik zugrunde zu legen. Vom Besteller geltend gemachte Mängel bleiben bei der Erteilung der Bescheinigung unberücksichtigt, wenn sie nach Abschluss der Besichtigung vorgebracht werden.

(4) Der Besteller ist verpflichtet, eine Untersuchung des Werks oder von Teilen desselben durch den Gutachter zu gestatten. Verweigert er die Untersuchung, wird vermutet, dass das zu untersuchende Werk vertragsgemäß hergestellt worden ist; die Bescheinigung nach Absatz 1 ist zu erteilen.

(5) Dem Besteller ist vom Gutachter eine Abschrift der Bescheinigung zu erteilen. In Ansehung von Fristen, Zinsen und Gefahrübergang treten die Wirkungen der Bescheinigung erst mit ihrem Zugang beim Besteller ein.

Einen völlig neuen und für den Unternehmer Erfolg versprechenden Weg beschreitet der Gesetzgeber mit der sog. Fertigstellungsbescheinigung gemäß § 641a BGB. Der Abnahme steht es danach gleich ,wenn dem Unternehmer von einem Gutachter eine Bescheinigung darüber erteilt wird, dass

    1. das versprochene Werk oder ein Teil davon hergestellt ist und

    2. das Werk frei von Mängeln ist, die der Besteller gegenüber dem Gutachter behauptet hat oder die für den Gutachter bei einer Besichtigung feststellbar sind.

Diese Fertigstellungsbescheinigung bringt für den Unternehmer eine völlig neue taktische Ausgangssituation. Bislang war es immer so, dass, wenn sich die Parteien eines Werkvertrages über das Vorliegen oder das Nichtvorliegen von Mängeln vor Gericht gestritten haben, die Bauprozesse sehr lange dauerten. Die lange Dauer hing damit zusammen, dass sämtliche Beweisfragen durch Sachverständigengutachten geklärt werden mussten, was entsprechend Zeit in Anspruch nimmt. Weigert sich ein Besteller jetzt nach Erteilung der Fertigstellungsbescheinigung trotzdem, die Werklohnforderung zu begleichen, muss der Unternehmer zwar nach wie vor im Zweifel einen Prozess anstrengen. Die Situation ist aber dadurch verändert, als der Unternehmer jetzt einen sog. Urkundsprozess anstrengen kann, bei dem - wie der Name schon sagt - nur Urkunden als Beweismittel zugelassen sind. Die Fertigstellungsbescheinigung ist eine solche Urkunde. Da der Besteller seine Mängelrügen im Zweifel nur durch Sachverständigengutachten belegen kann, kann er im Urkundsprozess keine zulässigen Beweisanträge stellen.

Fazit: Aufgrund der Fertigstellungsbescheinigung erlässt das Gericht ein Urteil. Mit diesem vollstreckbaren Titel kann der Unternehmer seine Forderung zwangsweise eintreiben. Mit seinen eventuell noch bestehenden Mängelrügen ist der Besteller auf den sog. Anschlussprozess verwiesen. Mit der Fertigstellungsbescheinigung wird allen denjenigen das Wasser abgegraben, die bislang mit überzogenen oder vorgeschobenen Mängelrügen die Abnahme und Zahlung verweigerten und durch den langen Bauprozess einen zinsgünstigen Justizkredit in Anspruch nahmen. Zu beachten ist, dass die Fertigstellungsbescheinigung nicht ausgestellt werden kann, wenn das Verfahren des § 641a Abs. 2 bis 4 BGB nicht eingehalten worden ist oder wenn die Voraussetzungen des § 640 Abs. 1 Sätze 1 und 2 nicht gegeben waren, d.h., dass das Werk nicht abnahmefähig war. Im Streitfall hat der Besteller zu beweisen, dass die Voraussetzungen zur Erteilung der Fertigstellungsbescheinigung nicht vorgelegen haben. Wichtig ist auch die Vermutungsregelung in § 641a Abs. 1 Satz 4 BGB. Danach wird vermutet, dass ein Aufmaß oder eine Stundenlohnabrechnung, die der Unternehmer seiner Rechnung zugrundelegt, zutreffen, wenn der Gutachter dies in der Fertigstellungsbescheinigung bestätigt. Dies bedeutet, dass bei Vorliegen einer solchen Fertigstellungsbescheinigung der Besteller für die Behauptung, Aufmaß oder Stundenlohnabrechnung seien unrichtig, Beweis antreten muss.

 

a) Beauftragung des Gutachters

Bevor eine Fertigstellungsbescheinigung erteilt werden kann, muss zuerst notwendigerweise ein Gutachter beauftragt werden. Dies kann auf zweierlei Wegen geschehen: Entweder einigen sich Unternehmer und Besteller auf einen Sachverständigen oder der Unternehmer beantragt die Bestimmung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Der Antrag ist an die örtlich zuständige Handwerkskammer zu richten. Architektenkammern, Ingenieurkammern oder die Industrie- und Handelskammern können ebenfalls Sachverständige benennen. Der Gutachter wird vom Unternehmer beauftragt, er muss zunächst also auch die Kosten für das Gutachten bzw. Fertigstellungsbescheinigung übernehmen.

TIP:Die Kosten für die Fertigstellungsbescheinigung können als Verzugsschaden geltend gemacht werden, wenn man den folgenden Weg einschlägt: Verweigert etwa der Besteller die Abnahme des Werkes, sollte ihm eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt werden. Nach fruchtlosem Fristablauf gilt das Werk als abgenommen. Wird jetzt die Rechnung wirksam zugestellt, kommt der Besteller nach 30 Tagen in Verzug. Die Kosten für die Fertigstellungsbescheinigung, die nach Eintritt des Verzugs beantragt wird, können jetzt als Verzugsschaden geltend gemacht werden.

Für die Sachverständigen ist zu beachten, das sie sowohl dem Unternehmer als auch dem Besteller des zu begutachtenden Werkes gegenüber verpflichtet sind, die Bescheinigung unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Dies bedeutet im Endeffekt, dass der Sachverständige gegenüber beiden Parteien für die ordnungsgemäße Erstellung der Fertigstellungsbescheinigung haftet. Denjenigen Sachverständigen, die verstärkt in den Bereich der Fertigstellungsbescheinigungen tätig werden wollen, sei dringend empfohlen, mit ihrem Berufshaftpflichtversicherer eine angemessene Absicherung des neuen Haftungsrisikos rechtzeitig sicher zu stellen. Den hiermit verbundenen Kosten steht natürlich die Tatsache gegenüber, dass die Erstellung einer Fertigstellungsbescheinigung nicht über das ZSEG abgerechnet werden muss, sondern dass die Bezahlung wie bei Privatgutachten frei vereinbar ist.

 

b) Verfahren des Gutachters

Bei der Erstellung der Fertigstellungsbescheinigung und den hierzu notwendigen Vorarbeiten hat der Gutachter die Verfahrensvorschriften in § 641a Abs. 3 und Abs. 4 BGB zu beachten. Bei Missachtung dieser Vorschriften läuft der Gutachter Gefahr, sich selbst Schadenersatzforderungen auszusetzen. Bevor der Gutachter die Fertigstellungsbescheinigung erteilt, muss er mindestens einen Besichtigungstermin abhalten. Eine Einladung hierzu muss er unter Angabe des Anlasses dem Besteller mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Termin zukommen lassen. Die Einladung sollte per Einschreiben mit Rückschein erfolgen, da der Sachverständige für die ordnungsgemäße Ladung des Bestellers beweispflichtig ist. Ob das Werk frei von Mängeln ist, beurteilt der Gutachter nach einem schriftlichen Vertrag, den ihm der Unternehmer vorzulegen hat. Diese gesetzliche Bestimmung stellt klar, dass der Bauunternehmer nur dann die Erteilung einer Fertigstellungsbescheinigung beantragen kann, wenn seiner Tätigkeit ein schriftlicher Werkvertrag zu Grunde liegt. Änderungen dieses Vertrages sind nach dem Willen des Gesetzgebers vom Gutachter nur dann zu berücksichtigten, wenn sie ebenfalls schriftlich vereinbart sind oder von den Vertragsparteien übereinstimmend gegenüber dem Gutachter vorgebracht werden.

TIP: Viele Rechtsstreitigkeiten in Bausachen ergeben sich aus der Tatsache, dass der Auftrag nicht schriftlich fixiert wird bzw. Ergänzungen nur auf Zuruf erfolgen, die sich dann im Nachhinein als schwer beweisbar herausstellen. Es ist daher zur Sicherheit beider Vertragsparteien dringend zu raten, sämtliche Verträge über Bauleistungen schriftlich festzuhalten und auch Ergänzungsleistungen nur dann zu erbringen, wenn sich die Parteien hierüber schriftlich geeinigt haben.

Wenn der von den Parteien beschlossene und dem Gutachter vorgelegte Vertrag keine anderweitigen Angaben enthält, sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu Grunde zu legen. Für deren Einhaltung spricht die - allerdings widerlegbare - Vermutung, dass die jeweiligen Normen und handwerklichen Fachregeln eingehalten worden sind.
Der Gutachter untersucht das Werk nicht nur auf die vom Besteller behaupteten Mängel. Der Gesetzgeber schreibt ausdrücklich vor, dass der Gutachter auch auf die Mängel zu achten hat, die bei der Besichtigung für ihn feststellbar sind. Die Untersuchungspflicht ist damit umfassend.
Nach Abschluss seiner Vorarbeiten erteilt der Gutachter eine Fertigstellungsbescheinigung, von der er dem Besteller des Werks eine Abschrift aushändigen muss. Da von der erteilten Fertigstellungsbescheinigung Fristen, Zinsen oder der Gefahrübergang abhängen können, treten ihre Wirkungen erst mit dem Zugang beim Besteller ein. Auch hier liegt für den Gutachter ein Haftungsrisiko, da es von seiner Sorgfalt bei der Zustellung der Fertigstellungsbescheinigung abhängt, ob der Besteller durch geschicktes Taktieren den Zugang vereiteln kann oder nicht.
 

c) Mitwirkungspflichten des Bestellers

Obwohl der Gutachter vom Werkunternehmer beauftragt wird, treffen den Besteller doch wichtige Mitwirkungspflichten. So ist er verpflichtet, eine Untersuchung des Werks oder von Teilen desselben durch den Gutachter zu gestatten. Tut er dies nicht, wird gesetzlich vermutet, dass das zu untersuchende Werk vertragsgemäß hergestellt worden ist. In diesem Fall hat der Gutachter ohne weitere Untersuchungen die Fertigstellungsbescheinigung zu erteilen. Auch hat der Besteller hinsichtlich der geltend gemachten Mängel eine Ausschlussfrist zu beachten. So bleiben diejenigen Mängel unberücksichtigt, die erst nach Abschluss der Besichtigung des Werkes durch den Gutachter vorgebracht werden.


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